Was sind Streuobstwiesen?
Schauen Sie sich eine Baumwiese mit großen Obstbäumen von Weitem an – es sieht aus, als hätte ein Riese im Vorbeigehen sein Bündel aufgemacht und hätte die Bäume einfach so ins Land gestreut. Und weil das Land so fruchtbar ist, sind die verstreuten Bäume angewachsen, haben Wind, Regen und Sonne getrotzt und stehen nun mächtig und stark, manchmal zerzaust, überwuchert und mit Misteln bewachsen, manchmal schön, im Winter mit klarem Profil und im Sommer grün gegen den blauen Himmel. Das sind Streuobstwiesen!
Und wie sind Streuobstwiesen nun wirklich entstanden?
Tatsächlich sind die Streuobstwiesen, die es vor allem noch im Süden und Südwesten Deutschlands gibt, gar nicht so alt wie wir oft vermuten. Obwohl – es waren die Römer, die viele unserer heutigen Obstarten über die Alpen nach Mitteleuropa brachten. Sie bauten die Obstbäume in der unmittelbaren Umgebung ihrer Villen und Häuser an und erst mit dem Zerfall des Römischen Reiches kamen die Obstbäume zunächst in die Gärten der Klöster und der fürstlichen Güter. In vielen der noch bewohnten Klöster in Oberschwaben (Beuron, Habsthal, Sießen) gehört auch heute der oft eingemauerte Obstgarten zum gewohnten Bild. Vor allem die Klöster waren es zunächst auch, die den Obstbau in Deutschland voranbrachten. Dort wurden Anbauweisen erprobt, neue Sorten entdeckt und veredelt, die besten Arten der Saft-, Most- und Branntweinzubereitung erforscht und von Klostergarten zu Klostergarten weitergegeben.
Obwohl auch von den Grundherren schon ab dem 11. Jahrhundert gefördert, breitete sich der Obstbau erst ab dem 14. und 15. Jahrhundert aus den Gärten in die Landschaft aus. In Württemberg ließ Herzog Carl-Eugen im 18. Jahrhundert eine Baumschule einrichten, deren Leiter Johann Caspar Schiller, der Vater des Dichters Friedrich Schiller war. Es waren diese und viele andere Anstrengungen, die den Obstbau im 18. Jahrhundert dann aufblühen ließen. In Hohenheim bei Stuttgart wurden ab 1837 Obstwarte ausgebildet. Diese legten den Grundstein für die heutigen Streuobstwiesen. Dabei waren es insbesondere die hochstämmigen Bäume, die als großer Vorteil begriffen wurden, erlaubten sie doch neben der Obsternte immer auch noch das Gewinnen von Viehfutter oder den Anbau einer Ackerkultur. Im Südwesten erhielt sich diese Art des Obstbaus bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts als die dominierende Form, zwischen 1930 und 1950 hatten die Streuobstwiesen ihre größte Ausdehnung, in Deutschland gab es 1950 1,5 Millionen Hektar.
… und heute?
Mit der Intensivierung und Mechanisierung der Landwirtschaft erlebte die Streuobstwiese einen spektakulären Bedeutungsverlust. Von den 1,5 Millionen Hektar im Jahr 1950 waren es in Deutschland 1990 noch 300.000 Hektar, in Baden-Württemberg waren von den 18 Millionen Streuobstbäumen in 1965 im Jahr 2020 noch 7 Millionen übrig. Die Produktion von Tafelobst hat sich fast gänzlich in die intensiv betriebenen Obstplantagen verlagert, Streuobstwiesen sind vor allem Lieferanten von Säften, Mosten und besonderen Produkten.
Was macht Streuobstwiesen heute wertvoll?
Mit der Intensivierung der Obstproduktion und dem Rückgang der Streuobstwiesen verschwanden natürliche Lebensräume für Tiere und Pflanzen in einem dramatischen Ausmaß. Mit ihnen verschwand auch eine beispiellose Vielfalt von Obstsorten, da im intensiven Obstbau die Anzahl der Sorten auf einige wenige Sorten ausgerichtet ist. Und es verschwanden strukturreiche Landschaften, in denen sich Wiesen, Bäume, Äcker mit einer Vielfalt an Kulturen und Heckenstreifen abwechselten. Neben dem wirtschaftlichen Wert, der mit den Erzeugnissen einer Streuobstwiese erwirtschaftet werden kann, sind es vor allem die unschätzbaren Reichtümer der biologischen Vielfalt, die sie zu einem landschaftskulturellen Edelstein machen. Allein die bekannten traditionellen und oft lokalen Apfelsorten gehen in die Tausende. Ausgedehnte Streuobstbestände sind außerdem Lebensraum von über 4.000 Pflanzen- und Tierarten, von den Schlüsselblumen und Margariten bis zum Wendehals und Steinkauz.
Und wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit aus?
Es ist so – dort wo der wirtschaftliche Gewinn nur ein Nutzen unter vielen anderen ist, fällt der finanzielle Erlös aus dem eigentlichen Produkt weniger groß aus. Streuobstwiesen sind keine Money-maker – beziehungsweise, sie sind wirtschaftlich dann rentabel und können auch die Arbeit bescheiden entlohnen, wenn Menschen bereit sind, die vielfältigen Nutzen neben dem Produkt „Apfel“ auch wert zu schätzen.
Trotzdem ist ein Blick auf Ausgaben und Einnahmen auch wichtig, gerade um zu sehen, wieviel eine solche „Wertschätzung“ dann auch in Euro und Cent kostet. In einer Kalkulation haben wir die durchschnittlichen Kosten und Einnahmen des Obstgartens mit einer Fläche von 1,21 ha einander gegenüber gestellt .
Kalkulation Obstgarten (> PDF Direktlink)